09.08.2007 - Träume vom Beutelwolf - Teil 7Der Klassenausflug Wie der Zufall es wollte, hatte die Klassenlehrerin am kommenden Vormittag einen Besuch im Zoologischen Garten geplant. Zwar mußten alle Eltern zuvor eine Erklärung unterschreiben; Heiner verstand nicht recht, worum es ging, es war von "Einwirkungen durch Fliegerangriffe" die Rede. Dennoch, er durfte mit, und dieses Mal wurde es ein ganz besonderer Zoobesuch. Sie fuhren mit der S-Bahn bis zum Bahnhof Zoologischer Garten, und dann sahen sie auch schon die großen steinernen Löwen; beiderseits vom Eingang blickten sie majestätisch über die Köpfe der Menschen hinweg. Hier waren auch die Kassen, wo man Eintrittskarten kaufen konnte. Da mehrere Schulklassen das gleiche Ziel hatten, mußten Heiner und seine Kameraden eine Weile warten. Als erstes wollten natürlich alle "Siam" begrüßen und stürmten am Straußenhaus vorbei zu seinem Gehege. Wie ein lebendes Denkmal stand der Elefantenbulle ganz nah am Absperrgraben, und die Besucher reichten dem ausgestreckten Rüssel trockene Brötchen, Möhren und Äpfel. Mit anderen "Dickhäutern" bewohnte er ein wunderschönes großes Haus, das man nach dem Vorbild eines Indischen Tempels gebaut hatte. Heiners Klassenkameraden warfen zunächst das mitgebrachte Futter in Siams Gehege, denn sie fürchteten sich vor dem großen feuchten Rüsselende mit dem merkwürdigen Greiffinger. Rollte ein Apfel in den Graben, dann folgte prompt der Spott der Mitschüler: "Mensch, du mußt mal Zielwasser trinken", war das mindeste, was der Unglücksrabe zu hören bekam. Auch Heiner wollte sich schon von den beiden trockenen Schrippen trennen, doch rechtzeitig erinnerte er sich an seinen Traum und hob sie lieber für andere Tiere auf, die für die meisten nicht so interessant waren und deshalb nicht so viel Futter von den Besuchern erhielten. Neben Siams Freianlage lag das Gehege von "Mtoto", dem großen Nashornbullen, der in Ostafrika gefangen wurde. Er war vor allem bei den Jungens beliebt, weil er häufiger mit kräftigem nach rückwärts gerichtetem Strahl gegen eine Wand pinkelte, so daß es nach allen Seiten spritzte. Die Lehrerin erklärte den lachenden und johlenden Kindern, daß Nashörner mit ihrem Urin den Wohnraum gegen Artgenossen abgrenzten – ähnlich wie Hunderüden am Laternenpfahl. Es handele sich also keinesfalls um eine "Ferkelei" (wie die Kinder meinten) sondern ein Verhalten, das für die Tiere wichtig sei; doch die Klasse hörte kaum zu. Nachdem sie auch die übrigen Elefanten bestaunt hatten –, natürlich mußte die halbwüchsige "Indra" ausgiebig begutachtet werden, die 1938 im Zoo geboren war -, drängte die Klasse weiter. Alle strebten zu den Affen, und keinesfalls wollte man die Robbenfütterung versäumen, die war bereits um 11 Uhr. Heiner protestierte laut, er bestand darauf, wenigstens "ganz kurz" die Scha-brackentapire und die Zwergflußpferde zu besuchen, deren Gehege neben dem Eingang zum Elefantenhaus lagen. "Och, die sind doch langweilig, die liegen ja immer nur im Wasser", maulte einer seiner Mitschüler, als die Lehrerin sie tatsächlich um die weite Elefanten-Freianlage herumführte. Die Zwergflußpferde waren zwar viel kleiner als die großen, die ein besonderes Haus bewohnten, doch sie bettelten in der gleichen Weise um Futter wie ihre riesigen Verwandten, mit weit aufgerissenem Maul; dabei konnte man die langen klingenartig geschliffenen Eckzähne gut sehen. Heiner zog eine Schrippe aus der Frühstückstasche, die an einem Riemen über seiner Schulter hing, und er traf genau die dicke Zunge, die zwischen den Backenzahnreihen des Unterkiefers kaum Platz fand. Zu einigen Klassenkameraden gewandt sagte er: "Die Tiere hat man extra für den Zoo gefangen, und ich finde, dann müssen wir sie uns auch angucken". Dabei dachte er an den Beutelwolf, dem man so wenig Beachtung geschenkt hatte. Einige Mitschüler sahen ihn verständnislos an, doch einer meinte schließlich, daß er eigentlich Recht habe, Zwergflußpferde seien auch ganz interessant. Sein zweites Brötchen erhielt einer der Scha-brackentapire im Nachbargehege. Mit ihrem kurzen Rüssel und der merkwürdigen Schwarz-Weiß-Zeichnung sahen sie aus wie "gescheckte Zwergelefanten" (meinte jedenfalls die Lehrerin). Im Affenhaus lebte der gewaltige Gorillamann "Pongo" in einem großen Käfig. Da man kein Gorillaweibchen hatte, gab man ihm eine Schimpansin zur Gesellschaft, mit der er sich gut vertrug. |